Hinweis: das ist eine überarbeitete Version des Artikels vom 30.11.2014, auch die Bilder wurden noch einmal vollständig überarbeitet und neu skaliert.
Ostern 2013, es liegt noch jede Menge Schnee ... wir kämpfen uns in der Gruppe durch eine unwegsame Gegend und durch den Schnee zu einem Gebäudekomplex, der es in sich hat. Diese Location steht auf dieser Tour auf einer ziemlich umfangreichen Liste ...
Mehrere hundert (!) Gebäude wurden hier leider schon abgerissen und dem Erdboden gleich gemacht, leider. Aus den bestehenden Grundstücken hat die Stadt dann Gewerbe- und Industrieflächen gemacht. Doch immer noch gibt es hier den einen oder anderen Überrest zu "besichtigen". Weil übrigens schon sehr viel dazu im Netz zu finden ist und auch die genaue Lage überall veröffentlicht wird, sehe ich zur weiteren "Geheimhaltung" auch keinen Anlaß mehr.
Ganz kurzer Abriß der Geschichte: im Januar 1915 war Baubeginn, und Ende August 1915 begann die Produktion. Das heißt, der riesige Fabrikkomplex von 550 Hektar war innerhalb von acht Monaten mit der damaligen Planungs- und Bautechnik produktionsbereit. Ich glaube, man hätte damals schon den Flughafen Berlin-Brandenburg errichten sollen!
Das Gelände war zu Kaisers Zeiten eine Pulverfabrik. Nach 1918 wurden hier noch Pulvervorräte im Rahmen der Abrüstung vernichtet, dann zog die Reichsbahn hier ein. In den 30er Jahren wurde aus Teilen des RAW dann eine Panzerfabrik mit insgesamt riesigen Ausmaßen. Auch nach 1945 blieb das eine Panzerfabrik, allerdings nun von der GSSD betrieben. Auch ein Stahl- und Walzwerk entstand hier. Nach der Wende 1990 zogen die Sowjets schnell ab, und seit 2003 wird hier abgebrochen, abgerissen, saniert und neu gebaut. Die meisten alten Gebäude sind verschwunden, nur noch wenige Teile der ehemals kaiserlichen Pulverfabrik sind noch sichtbar.
Die Flure sind, wie immer bei solchen Orten, leider schon fast völlig zerstört.
Hirnlose Vandalen haben auch hier jede Scheibe zerschlagen und ihren Müll an die Wände gesprayt. Das ist wie mit schlecht erzogenen Straßenkötern, die auch überall hinpinkeln.
Was nicht von alleine zerfällt, musste zerschlagen werden ...
Die Einrichtung ist schon lange entfernt worden. Kabelratten haben auch jede einzelne Stromleitung herausgerissen, um die Leitungen zu Geld zu machen.
Die Flure erinnern vom Baustil her sehr stark an Beelitz Heilstätten. Kein Wunder, ist eine ähnliche Bauzeit.
Die Kälte und das trübe Wetter machen den Ort nicht viel freundlicher ... ganz im Gegenteil ...
Draußen liegt sehr viel Schnee. Das macht die Fortbewegung nicht ganz ungefährlich; oft werden Gullydeckel und Schachtabdeckungen gestohlen, da kann man sich schnell die Knochen brechen. In der Schlange der Fotografen ganz hinten zu gehen und in der Spur zu bleiben, hilft ein wenig!
An den Wänden befinden sich noch Malereien, die aus sowjetischer Nutzungszeit stammen dürften. Landschaftsmalerei findet man in einigen verlassenen Liegenschaften der GSSD.
Selbst die Treppengeländer sind schon geklaut worden. Der Gebäudekomplex dürfte zum Zeitpunkt der Nutzungsaufgabe noch gut beieinander gewesen sein. Heute ist er abrißreif.
Erstaunlicherweise gibt es noch ein paar Räume und Flure, die nicht so stark beschädigt sind. Sogar die eine oder andere Tür existiert noch.
Dagegen sind einige Decken schon "durch". Wir können hier das Obergeschoß nicht mehr betreten. Der Boden in den unteren Fluren scheint aus Beton zu sein.
Die Türen haben manchmal Drehknöpfe statt Klinken - das ist ja hierzulande absolut unüblich. Man sieht aber, das Schloß und der Knauf müssen irgendwann einmal "nachgerüstet" worden sein. Auf die Schönheit seiner Arbeit hat der Handwerker scheinbar nicht allzu viel Wert gelegt.
Die Fenster sind nur oberflächlich vernagelt gewesen und meist wieder vollständig "offen".
Die Winterlandschaft ist richtig schön. Wir sind in diesem Winter mit Sommerreifen am Wohnmobil unterwegs. Zum Glück sind wir nur auf geräumten Hauptstraßen unterwegs!
Die Klotüren sind geklaut worden. Man fragt sich, wer eine hundert Jahre alte Klotür klaut ...
Die Bögen sind tatsächlich gemauert, wie man an einigen Stellen sehen kann. Das ist in Beelitz anders, da ist von einigen Bögen nur der Draht übrig, der mal eine Putzschicht hielt.
Durch die Löcher im Dach tropft das Tauwasser. Wahrscheinlich wird das Ende dieser Gebäude durch das Eindringen von Wasser noch exponentiell beschleunigt.
Noch immer sind Jugendstil-Elemente am Bau vorhanden. Daneben finden sich eher grobe Reparaturspuren.
Auf die Tür wurden die Beschriftunmgen einfach aufgenagelt. Das findet man auch oft. Hier befinden wir uns im sog. "Theater" ganz oben unter dem Dachgeschoß.
Der Boden vom Dachgeschoß kann nicht mehr betreten werden. Längst sind die Dielen alle durchgegammelt.
Sogar sowjetische Uniform- und Ausrüstungsteile finden sich noch hier und da. In einer Ecke ist noch ein kleiner Bücherstapel vorhanden.
Hinter einer Stahltür scheint ja jemand riesige Schätze vermutet zu haben. Oder pure Neugier? Es ist ein winziger leerer Raum, hier gab es nicht mal einen Fahrstuhlmotor zum Klauen.
Das Tauwasser sorgt für Eiszapfen im Dachgeschoß.
Auch unterhalb des Dachs sieht es nicht besser aus. Im großen (Speise-) Saal kann man von unten sehen, wie die eben auf dem Boden entdeckten Löcher von unten aussehen.
Neben dem Speisesaal eine Küche und Vorratsräume. Hier fallen die Fliesen wegen der Feuchtigkeit runter. Das heißt, wenn sie nicht vorher von hirnbefreiten Schwachmaten zerkloppt worden sind.
Braun und grün sind auch Farben, die in ehemals sowjetischen Liegenschaften gern verwendet wurden, ich vermute mal: die waren für militärische Zwecke als Tarnfarben ausreichend vorhanden.
Außen finden wir auch mal ein kräftiges Blau. Hier befinden wir uns an einem Pförtnerhäuschen.
Der Anstrich bildet auch die russischen Nationalfarben ab.
Die Architektur ist nicht besonders aufregend. Für einen reinen Zweckbau aber hat man sich hier sehr viel Mühe gegeben.
Die wenigen Lampen, von denen überhaupt noch ein Rest vorhanden ist, sind natürlich zerstört worden. Das hier dürfte eine Glaskugel gewesen sein.
Wir befinden uns hier offensichtlich an einem der Haupteingänge. Dieses Tor lag früher im äußersten Westen der Anlage und müßte eine der wichtigsten Zufahrten gewesen sein.
Warum eine Pulverfabrik auch ein Kino bzw. ein Theater brauchte, müsste man die damaligen Architekten fragen: vielleicht ist das eine Art Belegschafts-Betreuung gewesen? Bei der GSSD kann man sich das ja als Truppenbetreuung durchaus vorstellen, aber dieser Bau stammt aus 1915.
Das Theater ist aber in schlimmer Verfassung! Die Decke ist weitgehend eingestürzt. Die Galerie kann nur im Bereich der Treppen betreten werden, weiter zur Bühne hin (im Foto wäre das rechts) neigten sich die Balkone beim Betreten zur Saalmitte ... !
Über der Bühne finden wir immer noch das Wappen der sowjetischen Streitkräfte. Aber hier ist der Verfall auch schon sehr fortgeschritten. Sogar Betonträger sind bereits abgekippt.
Im Saal gibt es keine Bestuhlung mehr, sondern Schutt von der Decke und eine dicke Lage Schnee.
Wappen der ehemals sowjetischen Streitkräfte über der Bühne.
Noch immer finden auf der Bühne Veranstaltungen statt. Wenn man sich ganz ruhig verhält, so erscheinen durchscheinende Geister und beginnen zu tanzen!
Ein anderer Dachboden in der Pulverfabrik. Die Mitte ist durch Feuchtigkeit schon "durch", weil von oben unaufhörlich Wasser herunterkommt.
Zwei Plakate mit kaum noch kenntlichen Armeeführern lehnen immer noch an der Wand.
Theater, Blick durch den ganzen Saal. Wir sehen oben einen fast mittig verlaufenden breiten Einsturz in der Decke: das entspricht ein paar Aufnahmen weiter oben dem mittig liegenden Schneehaufen auf dem Dachboden.
Die Galerien wirken durch die Pfeiler sehr massiv, das täuscht aber. Sie sind nur mit recht dünnen Hölzern an den Wänden befestigt. Das Betreten kostet echt Nerven, weil sich die Böden beim Gehen stark bewegen.
Seit 1992 steht der Rest der Gesamtanlage unter Denkmalschutz. Am Tor steht eine Informationstafel zum Industrielehrpfad Kirchmöser.